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Kirchenmusik mal anders

Pop- und Rockmusik auf der Orgel

© Iris Freiberger

Von Iris Freiberger am veröffentlicht.

Bad Herrenalb: Ein kleiner, verschlafener Kurort im Nordschwarzwald. Hierher kommen viele zur Erholung und Rehabilitation. Oder eben, um in der kleinen Klosterkirche einem etwas anderen Orgelkonzert zu lauschen: Pop, Rock und Filmmusik auf der Kirchenorgel - arrangiert und gespielt von Michael Schütz. Beim Lesen seiner Vita wird eins besonders deutlich: die Wege der Pop-und Kirchenmusik kreuzen sich immer wieder. Entgegen der Vorurteile vieler konservativ eingestellter Menschen beweist Schütz, dass man sowohl Kantor als auch Lehrbeauftragter für Popularmusik an der UDK in Berlin sein kann.

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Dieser Clash der zwei Musikwelten reizt auch die Bevölkerung. So ist die kleine Klosterkirche in Bad Herrenalb vermutlich voller als an so manchen Sonntagen. Die vorderste Reihe der Kirchenbänke bietet die meiste Beinfreiheit und ermöglicht einen Blick auf den schönen Altarraum - in anderen Konzertkontexten wäre das ein Premiumplatz. Die Orgel hängt aber für gewöhnlich genau auf der gegenüberliegenden Seite der Kirche. Man sitzt also mit dem Rücken zum Geschehen und kann Michael Schütz beim Spielen nicht beobachten - ungewohnt, aber irgendwie erfrischend. In Zeiten von Social Media, Eras Tour und Reizüberflutung tut es gut, sich nur auf ein Sinnesorgan konzentrieren zu müssen. Auf dem Programm stehen ABBA, Queen, Beatles und John Williams. Das Hörerlebnis an diesem Abend mag ein anderes sein, als viele der Zuhörenden gewohnt sind.

Die Orgel ist definitiv nicht für die Popmusik gedacht worden. Aber das zu nutzen, um da hinüber zu gehen, das finde ich die gute, die spannende Idee. – Michael Schütz

Es geht nicht darum, so nah wie möglich ans Original heranzukommen, sondern das “richtige Feeling zu treffen”, sagt Michael Schütz zur Begrüßung von der Empore herunter. Die Orgel ist prädestiniert dafür, mehrere Instrumente zu imitieren - auch die einer Pop-und Rockband. Dafür gibt es die sogenannten Register, die der Organist während des Spiels zieht und so die Klangfarbe verändern kann.

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Die ersten drei Songs des Abends sind ABBA-Hits und Lieder zum Mitsingen: Thank you for the Music, SOS und Dancing Queen. Es scheint, als wolle Michael Schütz sein Publikum erst einmal an den Klang der Orgel gewöhnen, bevor er ihre Möglichkeiten mehr ausreizt. Das passiert dann mit Smoke on the Water von Deep Purple. Das markante Gitarrenriff klingt auf der Orgel wie ein Chor aus Schiffshörnern. Es ist viel los bei diesem Song - fast jede Pfeife ist im Einsatz. Diese Beanspruchung scheint auch für die Orgel der Klosterkirche ein wenig ungewohnt. Sie ist etwas verstimmt und hat einen Heuler. Ein Heuler ist ein Dauerton, der permanent mitschwingt und durch undichte Tonventile oder eine klemmende Mechanik entsteht. Aber auch darauf ist Michael Schütz vorbereitet. Als Organist kann er nicht, wie viele andere Musiker, sein Instrument einfach mitnehmen. Er muss sich an die Gegebenheiten vor Ort anpassen. Das bedeutet dann schon mal, dass er seine Pop-Arrangements kurz vorher umstellen muss. Die Anzahl der Register und Manuale, sprich die Klaviaturen der Orgel, sind bei jedem Instrument unterschiedlich. Schütz nimmt sich deshalb vor einem Konzert mehrere Stunden Zeit, um die Orgel kennenzulernen.

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Er spielt mit Leidenschaft, schmückt die Songs mit Glissandi aus oder verleiht ihnen jazzige Rhythmen. Auf dem Programm stehen überwiegend Popsongs der 70er und 80er Jahre. Das hat zwei Gründe. Zum einen ist es eine Reise in die Vergangenheit, auch für Michael Schütz selbst. Er verbindet die Musik mit bestimmten Lebensstationen und spricht dadurch auch eine überwiegend gleichaltrige Zielgruppe an. Zum anderen eignen sich die Popsongs von damals besonders für seine Arrangements. Sie sind handgemacht und haben eingängige Melodien, die den computerproduzierten Popsongs von heute oft fehlen.

Sehr melodisch ist auch die Filmmusik zu Harry Potter von John Williams. Sieklingt in der kleinen Kirche besonders eindrucksvoll - ein Paradestück für die Orgel und ihre zahlreichen Klangfacetten. Harrys Eule Hedwig gleitet in Gestalt von Musik durch den Kirchenraum. Helle, glockenartige Klänge und flinke Läufe tragen zum magischen Hogwarts-Ambiente bei. Unterbrochen wird dieses im Verlauf des Stücks immer wieder von den düsteren Seiten der Zauberwelt und den tiefen Tönen der Orgel. Schütz zieht wortwörtlich alle Register.

Der Publikumsfavorit an diesem Abend ist allerdings die Musik aus Fluch der Karibik. MichaelSchütznutzt dieses Stück, um den Zuhörenden einen kurzen Exkurs in die Musiktheorie zu geben. Er erklärt die unterschiedlichen Taktarten und wie diese zum unverwechselbaren Charakter der Filmmusik beitragen, bevor er musikalisch die stürmischen Meere erobert. Mit dem letzten Stück des Abends nimmt er aber keineswegs den Wind aus den Segeln, sondern verabschiedet das Publikum mit seinem emotionalen Arrangement von Music was my first love. Ein rundum gelungenes Konzert, das auch auf der Heimfahrt noch nachklingt.

Die Idee ist, (..) im Hier und Jetzt zu erkennen, dass das eigene Leben für den Raum der Kirche, für die Orgel, für das Setting usw. eine Bedeutung hat. – Michael Schütz

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