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Junger Kulturkanal

LÄUFT

Jungs, die singen

Im Konzert bei Anders

© Ferdinand Pietsch

Von Ferdinand Pietsch am veröffentlicht.

Der Name der Band "Anders" lässt schon vermuten, dass es sich bei der Truppe aus Freiburg nicht um eine gewöhnliche Band handelt. Die fünf Jungs machen Musik ohne Instrumente, also A Capella. Das bedeutet alles passiert nur mit der Stimme, selbst der Beat kommt nicht vom Schlagzeug, sondern vom Beatboxer und die Musik versprüht ihren ganz eigenen, typischen A Capella Charme.
Angefangen hat alles ganz in Klischee-Manier auf dem Schulhof in der 8. Klasse. Später kamen die ersten Auftritte und irgendwann wurde der Anfang einer Karriere daraus. Mittlerweile tourt die Band durch ganz Süd- und Mitteldeutschland, füllt regelmäßig größere und kleinere Hallen und bringt mit ihrer Musik die Leute ordentlich in Stimmung.
Eine dieser kleinen Bühnen ist das KLAG in Gaggenau. Am Konzertabend regnet es, die Band kommt mit verkehrsbedingter Verspätung an, ein Soundcheck ist nicht mehr möglich. Trotzdem ist die Stimmung gut, hier wirkt alles ziemlich unkompliziert.
Die ehemalige Kneipe ist mittlerweile zu einem wichtigen Kulturumschlagplatz in der kleinen Stadt im Murgtal geworden. Hier finden regelmäßig Kleinkunst-Veranstaltungen und Konzerte statt, organisiert vom örtlichen Event Management Team "Rantastic". Einlass ist um 18 Uhr, feste Plätze gibt es an den Kneipentischen nicht. Die eigentlichen Veranstaltungen beginnen meist erst gegen 20 Uhr, damit genug Zeit bleibt, sich von der gebliebenen gastronomischen Ausstattung samt Personal ordentlich bewirten zu lassen. Die Wände erzählen Geschichten von unzähligen Konzerten, von anstehenden Veranstaltungen und von einer weiterlebenden Kneipen-Ästhetik. Die Atmosphäre ist sehr familiär.

© Ferdinand Pietsch

Im Mittelpunkt der Tour steht das bis dato un-erschienene neue Album von Anders; mittlerweile seit einem guten Monat draußen wird beim Konzert in Gaggenau immer wieder darauf geteasert. Mit ihrem Opener "Mit deinem Renault" kommen die Jungs auf die Bühne, einem Lied was vor Sommer-Nostalgie und Fernweh nur so überläuft. Der Name des neuen Albums, "Kurzurlaub", schwingt gleich als Unterton mit, wird im Song auch mit benannt. Der Albumtitel ist auf Konzertreise in der Schweiz entstanden, am Luzerner See. Für ein Festival reiste die Band hin und es wurde eher ein kurzer Urlaub daraus, als einfach der nächste Auftritt. Dieses Gefühl soll das neue Album verkörpern.

Wie kam es zum Albumtitel?

Das gelingt nicht nur mit Urlaubsnostalgie, sondern auch oft mit cleveren Texten zu Alltagsproblemen. In "Nullo Problemo" geht es um die Schwierigkeit, auf verschiedenste Anfragen aus dem Bekanntenkreis auch mal mit "Nein“ zu antworten. "Schau mit in die Augen" handelt von einem gescheiterten Tagtraum, eine Frau anzusprechen, der eine, sagen wir mal, unerwartete Wendung nimmt. Leicht verdaulich, witzig aufbereitet und musikalisch verpackt: Das alles kommt beim Publikum sichtlich gut an. Aber auch zu komplexeren Themen bezieht die Band Stellung. Mit "Welcome to Paradise“ performt Anders eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit der Klimakrise und der Ausbeutung des globalen Südens. Vor Kritik oder gehobenen Augenbrauen seitens des zugegebenermaßen etwas älteren Publikums schrecken sie nicht zurück.

Ein Lied zu einem polarisierenden Thema zu schreiben kann auch ins Auge gehen, oder?

Überhaupt nehmen die Fünf das Publikum gut an die Hand. Jede Moderation geht ins Gespräch und viele Songs bieten Möglichkeiten zum Mitsingen oder Mitsprechen. Besonders gut kommt der Song "Unangenehm“ an, eine umgedichtete Version von Deichkinds "Leider Geil“, in dem die Band sich selbst etwas auf die Schippe nimmt.
Doch bei all dem Witz streuen die Jungs auch hin und wieder etwas ganz Ehrliches dazwischen. Mit Balladen wie "Wartesaal“ oder dem letzten Titel „Nie gesagt“ wird das KLAG auf einmal ganz klein. Die Texte gehen unter die Haut und bleiben in Gedanken.
 

© Ferdinand Pietsch

Die meisten Stücke entstehen übrigens wie bei jeder anderen Band auch: Es gibt einen Text, dazu eine Melodie und daraus entsteht am PC erst mal eine sogenannte Demo-Version, also ein erster Eindruck, wie das fertige Lied klingen könnte. Erst wenn das steht, werden die Songs für fünf Gesangsstimmen umarrangiert. Oft kommt dann im Nachhinein noch etwas Produktion mit drauf, zum Beispiel damit die Bass Drum aus der Mundhöhle mit der echten mithalten kann.
Absichtlich kann man auf so etwas aber natürlich auch verzichten. Die eben genannten Balladen zum Beispiel erklingen ganz ohne Spielereien, ohne Schnick Schnack. Die Musik wird dadurch bodenständig und nahbar.
Viele im Publikum wirken nach dem letzten Lied berührt und sichtlich angetan. Was bleibt ist eine entspannte Atmosphäre bei den letzten Resten Bier und das eine oder andere Gespräch mit den Bandmitgliedern.

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