Junge Karlsruher Stimmen auf der großen Opernbühne
Ein Interview mit Katharina Bierweiler und Thomas Heinen aus dem Cantus Juvenum e.V.
© Bernd Uhlig
© Anastasiya Bierweiler (links) und Dorothea Heinen (rechts)
Auf den großen Bühnen dieser Welt Musik zu machen – davon träumen viele angehende Musiker*innen. Für Katharina Bierweiler (16) und Thomas Heinen (13) ist dieser Traum in Erfüllung gegangen: Im Frühjahr 2021 haben sie am königlichen Opernhaus La Monnaie, Brüssel, in Benjamin Brittens Oper „The Turn of the Screw“ in den Rollen von Flora und Miles mitgewirkt. Die Nachwuchstalente sind langjährige Mitglieder des Karlsruher Kinder- und Jugendchors Cantus Juvenum und wurden dank ihrer musikalischen Ausbildung und Förderung für dieses Projekt engagiert. Katharina und Thomas sprechen im Interview mit Penelope Gatidis über ihr musikalisches Abenteuer.
Ihr betretet zum allerersten Mal das Opernhaus in Brüssel. Was geht in euch vor?
Katharina: Bei mir war es einfach nur … wow. Es war irgendwie groß und schön und unglaublich kunstvoll.
Thomas: Ja, bis zu unserer Garderobe 179 Treppenstufen – das ist schon eine Hausnummer! Man hat sich auch gut gefühlt, weil man gedacht hat: „Trotz Corona darf ich jetzt hier sein.“
© Hugo Segers
Die Oper „The Turn of the Screw“ habt ihr das erste Mal in Freiburg gesungen. Ist es euch in Brüssel schwergefallen, eine ganz neue Inszenierung zu lernen?
Katharina: Nein. Aber ich war am Anfang etwas überrascht, weil es komplett anders ist. In Freiburg sind wir schon ein bisschen verzogene, aber doch mehr oder weniger liebe Kinder, die halt vernachlässigt wurden und dadurch ein paar Macken haben. Aber in Brüssel war es wirklich so, dass wir gefühlt von innen heraus abgrundtief böse waren. Immer so fies zu sein, ist mir anfangs ein wenig schwergefallen. Aber das ging dann auch mit der Zeit.
Thomas: Ich habe mir gedacht: „Okay, vielleicht kommt nochmal Freiburg, aber ich schalte die Inszenierung jetzt einfach mal ab und bin offen für Neues und lasse mich erstmal darauf ein.“
Die Kammeroper „The Turn of the Screw” von Benjamin Britten basiert auf der gleichnamigen Novelle von Henry James. Eine junge Gouvernante erhält den Auftrag, die zwei Waisenkinder Flora (gespielt von Katharina) und Miles (gespielt von Thomas) zu betreuen. Doch die Idylle auf dem englischen Landsitz Bly wird bald von merkwürdigen Ereignissen getrübt. Die Geister zweier verstorbener Bediensteter suchen das Anwesen heim und scheinen Besitz von den Kindern ergreifen zu wollen. Peter Carp inszenierte die Geistergeschichte am Freiburger Theater – im Opernhaus Brüssel führte Andrea Breth Regie.
Hat euch eine Inszenierung persönlich besser gefallen als die andere?
Katharina: Ich fand beide sehr beeindruckend, aber ich finde, die waren so unterschiedlich, dass man das gar nicht sagen kann. Die haben aus komplett verschiedenen Blickrichtungen auf die Oper geschaut. Wenn man eine Story sehen will, ist die Inszenierung von Freiburg besser – die hat eine klare Form. Aber wenn man eher auf Krimi und ein bisschen Horror steht oder auch etwas zum Nachdenken braucht, dann ist, finde ich, die von Brüssel besser.
Thomas: Ich finde die Freiburger tatsächlich besser. Die in Brüssel war mir ein bisschen zu komisch … es war nicht so mein Stil von Theater.
Katharina: Was ich in Brüssel beeindruckend fand: Im Prinzip wurde jeder kleinste Schritt exakt geplant. Carole Wilson, Mrs. Grose, hat eine Szene, wo sie nur einmal hin- und her läuft, und die hat sie ungefähr 300-mal gemacht, bis es Frau Breth, der Regisseurin, genau so gepasst hat. Das liegt natürlich auch daran, dass wir für die Inszenierung mehr Zeit hatten. Normalerweise ist es ja nicht so, dass du sechs Tage am Stück sechs Stunden proben kannst und das über sechs Wochen, weil ja auch andere Stücke geprobt werden. Aber wir hatten sozusagen die Bühne und die Probebühne für uns alleine. In Freiburg war es nicht so. Wir wussten natürlich genau, wann wir wo wie sein müssen, aber es war viel offener. Das kommt aber auch immer auf den Regisseur an.
Thomas: Andrea Breth hat sich das Grundgerüst am Anfang überlegt und sich die einzelnen Schritte spontan ausgedacht. Peter Carp hat es so gemacht, dass er sich die schauspielerischen Auftritte vorher komplett überlegt und mit Statisten durchgespielt hat, und dann erst die Schauspieler dazugeholt hat. Es war schon eine Umstellung, dass der Regisseur nicht in einer Szene bleibt, wie er es eigentlich gedacht hatte: Andrea Breth hat in den Bühnenproben auch mal zwischendurch etwas an der Inszenierung geändert, das hat Peter Carp nicht.
Was war das für ein Gefühl für euch, mit diesen Profis auf der Bühne zu stehen?
Katharina: Es war schon echt cool, die singen ja alle super. Zum Beispiel Sally Matthews, die Governess – Ich weiß nicht, wie sie das geschafft hat, aber es war eine Seltenheit, wenn sie irgendwo irgendwas mal irgendwie falsch gesungen hat. Einmal hat sie wirklich einen Fehler gemacht und Ben, der Dirigent, meinte: „Oh mein Gott, ein Wunder ist geschehen! Sally hat was falsch gesungen!“ [lacht]. Das war sehr witzig.
Thomas: Es war schon etwas anderes, als jetzt Freiburg, wo man die Leute schon kennt. Dann sind es nochmal neue Künstler, mit denen man auf der Bühne steht.
Wir leben im digitalen Zeitalter. Da geht so einiges!
Für das Projekt in Brüssel wart ihr etwa zwei Monate vor Ort. Wie habt ihr es geschafft, die Proben mit der Schule unter einen Hut zu bringen?
Thomas: Naja, wir leben im digitalen Zeitalter. Da geht so einiges! Zum Beispiel in Brüssel, Online-Schule, ganz normal im Wechselunterricht – ein Teil ist in der Schule, der andere Teil ist zu Hause. Wenn meine Gruppe in Präsenz war, wurde ich immer zugeschalten – da habe ich dann die Klasse im Klassenzimmer gesehen.
Katharina: Ich habe mit einer aus dem Kurs abgesprochen, dass sie mir ungefähr sagt, was wir gemacht haben und mir die Aufschriebe und Hausaufgaben schickt. Und nachdem wir angekommen sind, habe ich mich abends hingesetzt und den Schulstoff von dem Tag nachgeholt. Ich glaube, ich hatte auch einen kleinen Vorteil – im Vergleich zu anderen Kursen bekommen wir sehr selten Hausaufgaben auf.
Thomas: Im krassen Gegensatz zu mir – ich hatte wirklich überirdisch viele Hausaufgaben. Mein Biolehrer hat zum Beispiel ganze Wochenaufgaben geschickt mit elf Seiten voller Aufgaben, die wir über die Woche machen sollten. Also, es war bei mir auch ziemlich viel Stress dabei … irgendwie musste man es halt dazwischenschieben.
Habt ihr noch Lampenfieber, bevor ihr auftretet, oder seid ihr die große Bühne inzwischen gewohnt?
Thomas: Ich mache es kurz: Nein. Bei meiner ersten „The Turn of the Screw“-Aufführung in Freiburg war ich schon ein bisschen nervös. Aber es gibt ja beim Theater immer einen „Auflöser“, nämlich den Schlussapplaus. Wenn man bei der Applausordnung nach vorne kommt, ist das schon ein bisschen die Auflösung der Nervosität.
Katharina: Bei der Rolle der Flora, würde ich sagen, manchmal so ganz, ganz leicht, aber eigentlich generell auch nein. Wenn ich wieder etwas anderes singe, bin ich vielleicht nicht ganz so aufgeregt wie früher, aber doch wieder nervös.
Habt ihr irgendwelche Rituale, bevor ihr auf die Bühne geht?
Thomas: Ich mache manchmal ein paar Sportübungen, zum Spaß. Aber ich bereite mich mehr mental darauf vor als körperlich.
Katharina: Ich gehe vor der Szene nochmal alles im Kopf durch. Und ich trinke einen Schluck Wasser, das beruhigt mich irgendwie.
Tief durchatmen!
Was sind eure Tipps, wie man am besten mit Aufregung vor einem Auftritt umgeht?
Katharina: Tief durchatmen!
Thomas: Manche trinken vor den Auftritten ziemlich viel. Da würde ich sagen, das ist nicht gut. Lieber weniger trinken.
Wasser oder Alkohol?
Beide [lachen]: Wasser!
Thomas: Ich würde auch sagen, ein bisschen bewegen. Also nicht die ganze Zeit Backstage rumstehen und auf den Auftritt warten.
Katharina: Was mir auch hilft ist: Mich hinsetzten, einfach auf den Boden, tief durchatmen, nochmal alles durchgehen, aber sich auch ein wenig abzulenken. Ich habe zum Beispiel zugeschaut, was die anderen gemacht haben. Dann habe ich versucht, mich sozusagen ohne zu singen körperlich darauf vorzubereiten zu singen und habe mitgesungen … ohne zu singen.
Also ich fasse zusammen: tief durchatmen, alles nochmal durchgehen, ein bisschen bewegen – direkt vor dem Auftritt aber zur Ruhe kommen und dann auf die Bühne?
Beide: Ja, genau!
Die Brüsseler Operninszenierung in voller Länge:
Weiterführende Informationen zu der Inszenierung von Brittens "The Turn of the Screw" unter der Regie von Andrea Breth kann man auf der offiziellen Website des Brüsseler Opernhauses La Monnaie nachlesen.