Eine Hommage an Amy Winehouse
"Forever Amy" auf Tour
© Henrike Wagner
Ein Konzert mit einer verstorbenen Sängerin? Geht das überhaupt? Das Projekt „Forever Amy“ beweist: Ja, das geht!
11 Jahre nach dem tragischen Tod von Amy Winehouse fand sich die Band der britischen Sängerin wieder zusammen und hat sich mit ihrer Tour "Forever Amy" zur Aufgabe gemacht, das Vermächtnis der Sängerin am Leben zu erhalten.
In ganz Europa waren sie dieses Jahr unterwegs, um den Menschen Amys Texte nahe zu bringen, in Deutschland bleiben ihnen nur wenige Stopps. Einer davon an einem heißen Julitag in Mannheim. Die angenehm warmen Abendstunden locken die Leute nach draußen, eine Straßenbahn brettert vorbei, der Asphalt dampft. Das „Capitol“ scheint mit seinem rot-leuchtenden Neon Schriftzug über dem Eingang ein wenig aus der Zeit gefallen neben all diesem Treiben. Das ehemalige Lichtspieltheater saugt einen sofort auf mit seinem Retro-Charme. An den kleinen Kassenhäuschen erwerben Gäste des Konzerts spontan Karten, andere suchen die Erfrischung an der Bar.
Das Publikum ist erstaunlich "alt". Viele BesucherInnen sind mittleren oder sogar fortgeschrittenen Alters, nur wenige befinden sich diesseits der 30. Dass die Themen einer Frau, die selbst nicht das 30. Lebensjahr erreicht hat, sogar Menschen im Großelternalter anzieht, überrascht im ersten Moment, zeugt aber zugleich auf sympathische Weise von der ungeheuren Anziehungskraft, die Amy Winehouse und ihre Musik ausmacht.
© Henrike Wagner
Mit einer Flasche Bier oder einem bunten Cocktail geht es nun rein in den einstigen Kinosaal. Eine Empore fügt sich hufeisenförmig in den Raum, alle Sitze sind mit rotem Samt bespannt – klassisch, Kino! Und was in den in nächsten zwei Stunden passiert, ist mehr als filmreif!
© Henrike Wagner
Amy Winehouse - Die Frontsängerin der Band bleibt unvergessen
Amy Winehouse – viel zu früh hat uns eine der bedeutendsten Soul- und Jazzsängerinnen verlassen. Die Bienenstock-Frisur, der dicke Lidstrich und vor allem ihre unverkennbare Stimme machten sie zu einer Ikone. Kann eine Band, die so sehr mit ihrer Präsenz verbunden war, überhaupt ein Konzert ausrichten, bei dem diese einzigartige Stimme fehlt? Eine Herausforderung, zweifelsohne.
Auf der Bühne stehen die Instrumente bereit. Als es dunkel wird, dringt erstmals Musik aus den Boxen. Zu den Klängen von „You Know I’m No Good“ betreten die Musiker unter Applaus die Bühne und nehmen gemächlich ihre Plätze ein. Der Platz hinter dem Mikrofonständer in der Mitte bleibt zunächst leer. Auf einer Leinwand im Hintergrund laufen collagenhafte Filmschnipsel. Andächtig blicken die Bandmitglieder auf das Video, als Winehouse im letzten Schwarz-Weiß-Bild in Froschperspektive in die Kamera linst.
Daraufhin betritt eine Frau die Bühne. Mit kleinen Schritten in Plateau-Pumps mit Leoparden Print streuert sie zielsicher das verbliebene Mikro an. Der Moment, auf den alle gewartet haben. Bronte Shande - die neue Frontfrau der ehemaligen Band von Amy Winehouse. Kann sie gegen eine der größten Jazzlegenden bestehen? Die Antwort ist: sie kann. Schon bevor sie die ersten Töne von „You Know I’m No Good“ anstimmt, ist jeglicher Zweifel verflogen. Als sie jedoch anfängt zu singen, ist man ihr heillos verfallen. Statt Bienenkorb trägt Shande einen voluminösen Pferdeschwanz mit Kopfschmuck im Rockabilly Stil. Auch sie scheint dem Retro-Look der 50er und 60er Jahre nicht abgeneigt. Ihr zu den Schuhen passendes Minikleid umhüllt sanft ihren Körper, als sie sich geradezu hypnotisierend zur Musik der Band bewegt. Ihre Stimme ist eindrucksvoll und authentisch, ganz im Stile Amy Winehouses. Aber sie versucht nichts zu sein, was sie nicht ist und gerade dieses Bewusstsein macht Bronte Shande umso mehr herzerwärmend sympathisch.
Wie sehr sich die Britin aber ihrer verstorbenen Landsfrau verbunden fühlt, merkt man im Gespräch. Auch sie war sich zunächst in ihrer Rolle als neue Sängerin der Band unsicher. Winehouse scheint aber auf gewisse Weise ihren Segen gegeben zu haben:
In der ersten Hälfte des Konzerts spielt die Band vor allem die weniger bekannten Songs der Alben „Frank“ und „Back to Black“, wie beispielsweise „Moody’s Mood for Love“, „Cupid“ oder „Cherry“ in Erinnerung an Winehouses Gitarre. Das Publikum nickt freundlich mit auf den Plätzen. Wenig später erfolgt die Vorstellung jedes einzelnen Bandmitglieds durch Bronte Shande. Durch kleine Soloparts innerhalb des Songs erhält jeder, die Möglichkeit sein technisches Können unter Beweis zu stellen, aber auch charakterlich bekommt man einen Eindruck von den Musikern. Frank Walden am Saxofon und Henry Collins an der Trompete fügen dem Song den typischen Swing Vibe hinzu, Hawi Gondwe an der Gitarre und Dale Davis am Bass beeindrucken mit kleinen Saitensolos, der quirlige Keyboarder David Tims haut in die Tasten und Schlagzeuger Stuart Anning zeigt sich als das rhythmische Rückgrat der Band.
Immer wieder werden die Songs durch kurze Videos auf der Leinwand im Hintergrund unterbrochen, in denen beispielsweise Bassist und enger Freund Winehouses Dale Davis von ihrer ersten gemeinsamen Aufnahme-Session erzählt. In der zweiten Hälfte gibt es dann kein Halten mehr. Shande lädt das Publikum ein, aufzustehen und zu tanzen, was bei Songs wie „Rehab“ und „Valerie“ nicht schwerfällt. Das Publikum strahlt mit der Band um die Wette.
"Forever Amy" hat sein Ziel erreicht. Es ist nicht das gleiche wie damals, aber das soll es auch nicht sein. Was wohl Amy Winehouse zu dem ganzen Projekt sagen würde? Bassist Dale Davis und Trompeter Henry Collins haben da eine gewagte Vermutung: