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Junger Kulturkanal

LÄUFT

Ein Hilferuf?

„I fucking love my life“ zeigt Faber von einer anderen Seite

Der Schweizer Julian Pollina, besser bekannt als „Faber“, hat am 1. November 2019 sein zweites Album veröffentlicht. „I fucking love my life“ nennt er es und spielt darauf ganze 16 Lieder.

Faber singt auf dem Album über den Wahn, einen perfekten Körper zu wollen, nur auf Sex aus zu sein, zerbrechende oder zerbrochene Beziehungen und Drogen. Und Faber fühlt was er singt. Als Hörer fragt man sich: Was davon fühlt der Mensch hinter der Kunstfigur Faber? Weil er in jedem Lied in einen Menschen schlüpft und aus dessen Perspektive singt, erfährt man nichts über Julian Pollina selbst.

Ich liebe mein Leben momentan nicht besonders [...]– Faber

Wirft man einen Blick auf die Rückseite des CD-Booklets ist da ein kurzer Brief, „gezeichnet von Faber“. Darin denkt er an eine frühere schöne Zeit zurück, und dass er im Moment nicht glücklich ist. Ist das ein Hilferuf? Wünscht sich Julian Pollina sein altes Leben zurück? Im Song „Highlight“ singt er darüber, dass er alte Freunde gegen neue falsche Freunde eingetauscht hat, und dass es nichts Schönes mehr in seinem Leben gibt. Und auch sonst passt der Text des Songs auf das Leben eines Popstars, der an seinem Erfolg kaputtgeht. Und der Titel des Albums lässt Ähnliches vermuten: „I fucking love my life“ klingt nämlich eher ironisch; als ob Faber sein Leben eben nicht liebt.

2015 hat Faber seine erste EP veröffentlicht

Seine erste EP „Alles Gute“ hat er 2015 veröffentlicht. Darauf folgten eine weitere EP und sein Debütalbum. In dieser Zeit hat sich sein Sound kaum verändert. Julian Pollina schreibt deutsche Chansons mit Klavierbegleitung und Balkanbeats. An seiner Seite steht die „Goran Koč y Vocalist Orkestar Band“, die seit seiner ersten EP mit ihm im Studio und auf der Bühne Musik machen.

Fabers Band gleicht einem Orchester. An dieser Aufstellung merkt man: Faber geht es nicht nur um den Gesang, er will auch eine gute Begleitung. Oder sollte man eher sagen gleichberechtigte Musiker? „Sag mir wie du heißt Part 1“ hat mehrere Posaunen-Soli (gespielt von Tillmann Ostendarp) und „Das Leben sei nur eine Zahl“ hat durch den schleppenden Beat eine besonders gekünstelte Stimmung. Diese Songs würden ohne die Instrumentierung nicht funktionieren. Und in „Komm her“ mit einem fast dreiminütigen Saxophon-Solo (Roberto Petroli) wird wieder klar, wieso Liedermacher aus allen Jahrzehnten immer wieder auf dieses Instrument zurückgreifen: Das Saxophon klingt wie eine zweite Person, mit der Faber ein Duett singt. Ein richtiges Duett hat er übrigens noch nie mit jemandem gesungen – aber wer könnte schon zusammen mit dem Mann mit dieser tiefen, vollen Stimme singen ohne daneben mickrig zu klingen?

Besorgter Bürger‚ ja, ich besorgs dir auch gleich. Geh auf die Knie wenn ich dir meinen Schwanz zeig, nimm ihn in den Volksmund - blond‚ blöd‚ blau und rein!– Faber

Bekannt ist Julian Pollina neben seiner Stimme auch wegen seiner Texte. Pollina provoziert gerne. Schon auf seinem Debüt-Album „Sei ein Faber im Wind“ tauchen Sätze auf wie „Wem du’s heute kannst besorgen, dem besorgst du’s morgen auch.“ Wenn man das einfach so aufschnappt, ohne zu wissen, von wem es kommt, klingt es nach purem Sexismus. Doch Faber ist kein Sexist. Sondern er versetzt sich in seinen Songs in Menschen, die er jeden Tag beobachtet. Auf dem aktuellen Album klingt Faber noch dreckiger. In der Vorab-Single „Das Boot ist voll“ singt er „Besorgter Bürger‚ ja // Ich besorgs dir auch gleich // Geh auf die Knie wenn ich dir meinen Schwanz zeig // Nimm ihn in den Volksmund // Blond‚ blöd‚ blau und rein“. Heftig. Faber singt hier aus der Sicht eines Nazis, der keine Flüchtlinge in seinem Land will und die Medien verachtet. Die Kommentarspalte unter dem Youtube-Video explodierte. Die anonymen User schrieben ihm: Er solle mit seinen Freunden im Mittelmeer ertrinken. Daraufhin schwächte er die Zeilen des Refrains ab. Die Message des Songs bleibt.

"I fucking love my life" ist tanzbarer Herzschmerz

Faber baut in „I fucking love my life” auf die Musik seiner vorherigen Alben auf. Er singt provokante Lieder. Die sind zum Teil tanzbar, zum anderen Teil brechen sie einem das Herz. Im Gesamten klingt das Album trauriger als sein Debüt. Wer Lust hat, sich mit allen Sinnen dem Album hinzugeben, kann beim Hören fast jede Emotion empfinden. (Denn einen fröhlichen Song findet man auf dem Album nicht.) Und wer einfach nur gute handgemachte Musik hören will, bekommt auch das mit Fabers neuem Album!

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