Direkt aus der Seele
Interview mit Alin Coen
© David Dollmann
Alin Coen ist Singer-Songwriterin. Und das mit allem Herzblut und unglaublicher Emotion. Ich habe die gebürtige Hamburgerin mit der Stübaphilharmonie auf Deutschlandtour begleitet und sie im Gespräch getroffen.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Ich habe eigentlich schon immer Musik gemacht. Mit sechs Jahren habe ich angefangen, Klavierunterricht zu nehmen und habe seit der Vorschule im Chor gesungen. Später war ich auf einem Gymnasium mit Musikzweig, wo ich Klarinette im Orchester und auch weiter Klavier gespielt habe. Beschlossen, dass die Musik auch mein Beruf werden soll, habe ich aber erst später. Ein wichtiges Ereignis war, als ein Freund zum Abi ein Konzert arrangiert hat, wo ich mit einer Streicherbesetzung und ein paar Bläsern vor Publikum aufgetreten bin. Ich war damals 18 und es war mein erster Auftritt als alleinige Sängerin mit Popstücken. Das war ein Meilenstein. Mir haben auch entsprechend die Knie geschlottert, so intensiv war das. Zum Glück hatte ich einen weiten Rock an und die Leute konnten nicht sehen, wie aufgeregt ich war. Besonders das Feedback nach dem Konzert war toll. Viele Leute haben mich angesprochen, waren zugewandt und haben mich in den Arm genommen. Da habe ich gemerkt, wie man mit Musik Brücken schlagen kann und wie gut man damit Verbindung zu Menschen aufbauen kann.
Musik kann Brücken schlagen
Bis du angefangen hast, deine eigene Musik zu schreiben, hat es noch eine Weile gedauert. Was hast du bis dahin gemacht?
Ja, ich habe erst sehr spät angefangen, selbst zu schreiben. Vorher habe ich versucht Medizin zu studieren, dabei aber schnell gemerkt, dass ich das von der Seele her nicht packen konnte. Dann bin ich auf Reisen gegangen, war in Indien unterwegs und habe da erkannt, wie wichtig mir die Musik ist. In den Hostels habe ich oft als erstes gefragt, ob es noch eine Gitarre gäbe. Zu dem Instrument hab ich mich total hingezogen gefühlt, obwohl ich noch kaum spielen konnte. Dann bin ich für ein halbes Jahr nach Schweden gegangen, wo ich auf einem Bauernhof gewohnt habe. Die Familie, bei der ich gelebt habe, hatte auch eine Gitarre und ich habe in meinem Kellerzimmer, wo mich keiner hören konnte, die ganze Nacht versucht Ani DiFranco Stücke von einer Kassette mitzuspielen. Ich habe die Songs immer wieder zurückgespult und angehört, um rauszuhören, was sie da spielt. Ihre Musik hat mich so krass berührt und gepackt, dass ich mir dachte, das will ich auch machen. Ich will Singer-Songwriterin werden. Mit 20 habe ich dann meine ersten zwei Lieder für eine offene Bühne geschrieben.
© Marcel Brell
Seitdem hast du mit deiner Band zahlreiche Singles und Alben veröffentlicht. Gibt es einen eurer Songs, der dir besonders am Herzen liegt?
Meine Songs Das letzte Lied und Festhalten sind mir sehr wichtig, da es die ersten Stücke waren, die ich auf Deutsch und nur für mich selbst geschrieben habe. Damals wollte ich keine Songs auf Deutsch performen, hatte aber von einem Freund die Idee bekommen, nur für mich und nicht für Publikum zu schreiben. Ich dachte, dass sie nie jemand zu hören bekommen würde, doch mittlerweile sind die zwei Stücke seit neunzehn Jahren im Programm. Auch sehr wichtig ist mir mein Song Du bist so schön. 2014 dachte ich, dass ich durch damit bin, Musikerin zu sein und habe kurzzeitig einen anderen Weg eingeschlagen. Du bist so schön war der Song, der mich wieder zurückgeholt hat.
Ich dachte, dass ich durch damit bin, Musikerin zu sein
Wie kam es, dass du deine Musikerkarriere damals aufgeben wolltest?
Ich habe gemerkt, dass ich keine Vorfreude mehr auf Konzerte hatte. Es war für 2014 eine Tour geplant und ich habe überhaupt keine Freude empfunden. Das lag auch an dem Setting von damals. Wir hatten einen Auftritt in Berlin vor 1.500 Leuten, unseren größten Auftritt bis dahin, und ich fühlte mich einfach nur erschlagen. Ich fand alles zu laut und es hat sich nicht mehr gut angefühlt, Musik zu machen. Das Einzige, was sich noch sinnvoll angefühlt hat, war der Umweltschutz. 2008 hatte ich meinen Bachelor in Umweltingenieurwissenschaften gemacht und habe dann einen Master in Wasserressourcenmanagement angefangen und ein Praktikum bei Greenpeace gemacht. Das Thema, wie sehr wir die Ressourcen unseres Planeten in Anspruch nehmen, ist ziemlich tief in mir drin.
Umweltthemen bindest du in deine Musik aber eher nicht ein?
Habe ich bei meinen englischen Songs schon, aber eigentlich gehe ich anders an die Musik ran. Sie kommt nicht aus dem selben Bereich meines Hirns und die Intention dahinter ist eine andere, als solche Messages rüberbringen zu wollen. Musik schreiben kommt für mich aus der Musik heraus. Ich komponiere am Klavier oder der Gitarre und höre, welche Stimmung unterbewusst – fast zufällig – entsteht. Dadurch versetze ich mich in ein bestimmtes, sehr intensives Gefühl, aus dem heraus dann die Texte entstehen. Die Themen Umwelt oder auch die Ausbeutung anderer Menschen sind natürlich Dinge, die mich sehr beschäftigen, die sich aber nicht in dem emotionalen Bereich befinden, aus dem meine deutschen Texte entstehen.
Was machst du als nächstes?
Jetzt erstmal will ich wieder anfangen, zu schreiben, da ich gerade eine sehr lange Pause gemacht habe. Mein nächstes Ziel ist ein neues Album - voller tanzbarer Songs.